60 Jahre Jahre Glaube und Heimat


Liebe Leserinnen und Leser unserer Heimatzeitung, liebe Freunde des Böhmerwalds!


Das 10-jährige und 50-jährige Bestehen unseres Vereins und der Heimatzeitung wurden jeweils ausführlich gewürdigt und aufgearbeitet. Daraus lässt sich auch ein deutlicher Wandel von den Anfängen bis heute ablesen. Nicht nur, dass das alte Nachkriegsdeutschland seine Probleme meisterte, sondern dass sich die Heimatvertriebenen in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben integrierten und sie auf diese Weise einen entscheidenden Anteil am Wiederaufbau und dem Entstehen des deutschen Wirtschaftswunders hatten. Gerade die Heimatvertriebenen haben sich mit ungeheurem Fleiß hier eine neue Heimat aufgebaut.

Mittlerweile sind die nach dem Krieg entstandenen Grenzen und Mauern innerhalb Europas gefallen. Bereits beim 50-Jährigen gehörte der Eiserne Vorhang schon zehn Jahre zur Geschichte. Vieles ist in dem neuen Europa entstanden und gewachsen, auch alte Vorurteile konnten abgebaut werden, aber noch ist nicht alles aus der Vergangenheit überwunden. Nicht zuletzt das Festhalten an den Artikeln der Benesch-Dekrete, die die Vertreibung und die kollektive Schuld der deutschen Bevölkerung in Böhmen rechtfertigen, liegt immer noch wie ein Schatten über den Beziehungen.

Als 1989 die Grenzen durchlässiger wurden und es möglich wurde, ohne Schwierigkeiten, wieder in die alte Heimat zu fahren, schien das vielen Böhmerwäldlern wie ein Wunder. Mit viel Engagement machte man sich daran, Kirchen und Kapellen zu restaurieren, Glocken zu beschaffen, aber auch freundschaftliche Kontakte zu den jetzigen Bewohnern der alten Heimat zu gründen. Dazu haben die Bezieher von „Glaube und Heimat“ durch ihre großzügigen Spenden einen entscheidenden Beitrag geleistet. Vieles ist hier gelungen und es gibt in weiten Bereichen ein gutes Miteinander. Das konnte Kanonikus Irsigler beim 50-jährigen Bestehen feststellen.
Die letzten zehn Jahre haben aber auch ihre Spuren hinterlassen. Ernüchternd und sachlich gilt es festzuhalten, dass sich die Hoffnung auf ein Wiedererblühen der christlichen Kultur in Tschechien nach 40 Jahren Sozialismus nicht erfüllt hat. Eine anfängliche Euphorie ist der Realität gewichen. Zahlreiche schön renovierte Kirchen werden nur einmal im Jahr genutzt, wenn die ehemaligen Bewohner sich dort zum Pfarrtreffen versammeln. Einbrüche und Diebstähle von sakralen Kunstgegenständen haben ein erschreckendes Ausmaß angenommen. Gerade in ländlichen Gegenden, die durch die Abwanderung von jungen Familien in die Städte immer mehr entvölkern, ist dies der Fall.
Es gibt aber Gott sei Dank auch hoffnungsvolle Zeichen. Lassen sie mich dafür Beispiele nennen:
Das ist für mich die Wallfahrtskirche Gojau. Seit 1999 wirken dort vier deutsche Vinzentinerinnen, die ein großartiges seelsorgliches Netzwerk aufgebaut haben und durch unermüdliches selbstloses Wirken nun die ersten Früchte ernten dürfen. Die Erfahrung, dass sich wieder eine katholische Gemeinde gefunden hat, die vor allem durch eine beispielhafte Kinder- und Jugendarbeit geprägt ist, gibt den jungen Menschen die Möglichkeit, für sich selber den Wert und die Kraft des Glaubens zu entdecken, um sich dann bewusst dafür zu entscheiden.

Auch die Mönche im Stift Hohenfurth lassen sich trotz großer Schwierigkeiten nicht entmutigen. Die Aufgabe der Wiederbesiedelung des Zisterzienserstifts und eine Neuevangelisierung unter den Bewohnern der Region im Geiste Benedikts und Bernhards, verlangen einen langen Atem, um so ein überzeugendes Beispiel gelebten Glaubens in einem weitgehend nichtglaubenden Umfeld zu geben.

Blicken wir vor diesem Hintergrund auf unseren Verein Glaube und Heimat, dann ist hier ebenfalls ein gravierender Umbruch erfahrbar. Die Erlebnisgeneration, also die Menschen für die Glaube und Heimat gegründet wurde, sterben mit dem zunehmenden zeitlichen Abstand weg. Mit jedem Sterben eines Böhmerwäldlers stirbt aber auch ein Stück Verbundenheit mit der alten Heimat, sterben Erinnerung und Wissen um die Geschichte.

Daher ist unsere dringlichste Aufgabe neben der Betreuung unserer alten Mitglieder der Erlebnisgeneration, die Jugend für den Böhmerwald, seine Geschichte, Kultur und Traditionen zu interessieren und sie an unseren Verein heranzuführen. Dabei geht es mir nicht allein um reine Neubezieher von Glaube und Heimat, die einen finanziellen Verlust ausgleichen, sondern darum, Menschen den Blick für die deutsche Geschichte zu weiten, Halbwahrheiten und Unwissen zu beleuchten und vor allem die Nachgeborenen für die alte Böhmerwaldheimat zu begeistern. Ein Mensch, der seine Geschichte nicht kennt, tut sich schwer die Gegenwart zu leben, und noch schwerer die Zukunft aus der Erfahrung der Geschichte der Vorfahren zu gestalten.
Eine erste Hilfe dazu sehe ich in der zweisprachigen Nennung der alten Ortsnamen. Da gibt es Namen, die aus der heutigen tschechischen Benennung durchaus dem deutschen Namen zuzuordnen sind. Der Ortsname der Gemeinde meiner Vorfahren war Malsching, dies ist aus dem tschechischen Malsin noch abzuleiten. Dass aber Dolni Dlouha Unterlangendorf hieß oder sich hinter Vissy-Brod das alte Hohenfurth verbirgt, das wissen jüngere Menschen kaum noch. Darum soll mit der tschechischen Ergänzung nicht der deutsche Ortsname ersetzt oder vergessen werden, sondern der Bezug aus der heutigen Situation, die Spuren zur Vergangenheit leiten. Junge Menschen nutzen heute andere Medien, ob es uns gefällt oder nicht. Natürlich wollen wir an der gedruckten Ausgabe von Glaube und Heimat festhalten. Dem steht aber nicht entgegen, dass wir uns im Internet einer weiteren Gruppe von Interessierten öffnen. Gerade die weltweite Nutzungsmöglichkeit mit Querverweisen und Verknüpfungen bieten hier einen schier unerschöpflichen Informationsschatz, auch für viele Regionen aus dem Böhmerwald, die hier schon seit einiger Zeit mit guten Informationen vertreten sind.

Ganz wichtig für ein Gewinnen der jungen Menschen sind grenzüberschreitende Begegnungen in Form von gemeinsamen Unternehmungen auf den Spuren der Geschichte. Sie machen das Verständnis und die Eigenheiten des jeweils anderen Landes zugänglich und helfen so, Vorurteile, aber auch Unwissen bzw. noch schlimmeres Halbwissen zu beenden.

Liebe Leserschaft unserer Zeitung, liebe Mitglieder unseres Vereins, ich habe versucht, in diesem Grußwort einige wesentliche Gedanken zum Selbstverständnis unseres Vereins und unserer Aufgabe im Blick auf die Verständigung und die Aussöhnung mit der Vergangenheit zu geben. Der Eiserne Vorhang ist zwar als Grenze schon lange gefallen, als Grenze in den Köpfen und Gedanken mancher Menschen ist er noch vorhanden. Dafür mag es sicher gute Gründe geben, dass dem noch so ist, denn manche Wunde heilt auch nach über 60 oder mehr Jahren nicht. Und trotzdem! Nichts soll unversucht bleiben, in einem vereinten Europa, fußend auf unserer gemeinsamen Kultur und dem christlichen Glauben, aus der Vergangenheit zu lernen, das Heute gut zu gestalten und eine gemeinsame Heimat zu entdecken. Dazu erbitte ich für alle, die sich darum bemühen, Gottes reichen Segen.

Euer
Siegfried Weber, Vorsitzender
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