Ehrl 2er Vorsitzender

 

 


Alois Ehrl,
Domkapitular,
Stellv. Vorsitzender von
Glaube und Heimat

 

Wach für innere Eingebungen

Es berührt uns, wenn eine innere Eingebung durch die Wirklichkeit bestätigt wird. Ich denke da an eine innere Eingebung meiner Mutter in der Zeit der Vertreibung. Die Eltern und meine drei größeren Brüder waren schon in Bayern, ich noch in Hammern. Um einer Verhaftung durch die Tschechen zu entgehen, war die Flucht ziemlich überstürzt. Dabei erschien das Risiko zunächst zu groß, mich als Kleinkind von 11 Monaten im Februar 1946 über die meterhoch verschneiten Höhen des Ossers nach Bayern über die Grenze zu bringen. Ich wurde bei einer Tante zurückgelassen. Ein Bauernknecht aus Lam im Bayerischen Wald, der sich gut in der Gegend auskannte, wurde als Fluchthelfer angeheuert. Er sollte mich an einem günstigen Tag über die Grenze tragen. Eine innere Eingebung aber sagte meiner Mutter, dass sie nicht mehr darauf warten soll. Unter Lebensgefahr überschritt sie noch einmal die Grenze. Mit Hilfe einer Tante, die mich ihr entgegen trug, und dank des Muts meiner Mutter kam auch ich heil über die Grenze. An dem Tag, da mich der Fluchthelfer über die Grenze bringen sollte, war er mit Sachen unterwegs. Er wurde von den tschechischen Grenzern gestellt und erschossen, als er nicht stehen blieb. Dass meine Mutter ihrer inneren Eingebung folgte, war für mich die Rettung. Was wäre wohl mit mir geschehen, wenn sie dies nicht getan hätte.

Nun ist es nicht selbstverständlich, dass wir inneren Eingebungen folgen. Es kann auch der Mut fehlen, sich auf sie einzulassen. Wir haben keine Gewähr, dass sie richtig sind. Aber gerade in der Beziehung zu Gott ist es von Bedeutung, sensibel für innere Eingebungen zu werden. Er kann sich durchaus in ihnen bemerkbar machen.
War es nicht auch eine innere Eingebung, die die Hirten bewegte, Maria und Josef und das neugeborene Kind in der Krippe zu suchen? Die Bibel wählt immer Engel als Boten, wenn Gott Menschen etwas mitteilen will. Die Engel stehen für die Eingebungen und Kräfte, die nicht aus den Menschen selbst kommen, sondern die wir den guten Mächten Gottes verdanken. Aus dieser Erfahrung hat der bekannte P. Anselm Grün ein viel gefragtes Buch geschrieben mit dem Titel “Engel für das Leben”. Die Hirten jedenfalls folgten der inneren Eingebung durch die Engel, dass Gott auf die Erde gekommen ist. Und so fanden sie, wie ihnen verkündet, das Kind in der Krippe. Sie wurden Zeugen der Geburt des Gottessohnes und erzählten, was ihnen über das Kind gesagt worden war.

Öfters fordert Jesus seine Hörer auf, für innere Eingebungen, wachsam zu sein. So hält er den Leuten einmal vor, die Zeichen der Natur deuten zu können, nicht aber die Zeichen, in denen Gott ihnen etwas sagen will. Bei uns kann es ähnlich sein. Vielleicht verschließen auch wir uns inneren Eingebungen, in denen Gott uns ansprechen will. Wir halten sie entweder für zu ungewöhnlich oder empfinden sie als zu alltäglich. Die Mahnung Jesu zur Wachsamkeit sollten wir deshalb ernst nehmen. Gott wirkt auch in unserer Zeit. Unser Leben ist eine offene Geschichte mit ihm. Er zeigt sich immer wieder neu. So kann er im Laufe des neuen Jahres durch verschiedene innere Eingebungen bei uns anklopfen. Das ganze Leben besteht aus lauter Gelegenheiten, ihm zu begegnen. Es müssen nicht immer außergewöhnliche Ereignisse sein. In ganz alltäglichen Dingen kann sich Gott bemerkbar machen. Ein Beispiel dafür ist wiederum das Geschehen in Behtlehem. In dem Kind armer Eltern ohne Obdach schaut Gott die Hirten an. Zur Frage wird also nicht die Gegenwart Gottes, sondern ob wir sie wahrnehmen. Christian Morgenstern sagt einmal: “Man sieht oft etwas hundertmal, tausendmal, ehe man es zum ersten Mal wirklich wahrnimmt.”

So könnte uns das neue Jahr ermuntern, auf mögliche innere Eingebungen zu achten. Es ist durchaus möglich, in ihnen Gott zu entdecken und so zu erfahren, dass er der Gott-mit-uns ist. „Von guten Mächten treu und still umgeben, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag“, dichtet der Theologe Dietrich Bonhoeffer in einem bekannten Kirchenlied. Wenn wir auf die guten Mächte Gottes, die uns umgeben, vertrauen, können wir sie tatsächlich spüren und erfahren. Vergessen wir aber zugleich nicht: So sehr Gott uns innere Eingebungen oder wie wir auch sagen können, Engel für das Leben schickt, so sehr ist auch unser eigenes Mitwirken gefragt. Auf vierfache Weise könnten wir da von den Hirten lernen. Erstens, sie sind offen für Überraschungen. Gott klopft auch bei uns oft auf ungewöhnliche und überraschende Weise an. Zweitens, die Hirten haben keine Vorbehalte gegenüber dem ganz anderen Kommen des Messias. Es stört sie nicht, dass er ihnen in einem wehrlosen Kind statt in einem machtvollen König begegnet. Drittens, sie sind kindlich genug, Gott auch im alltäglichen Geschehen wie der Geburt eines Kindes wahrzunehmen. Viertens, die Suche nach dem ihnen verkündeten Gottessohn ist ihnen so wichtig, dass sie sich dafür Zeit nehmen und ihre Arbeit unterbrechen.

Ich wünsche Ihnen, den Leserinnen und Lesern von Glaube und Heimat, fürs Neue Jahr viele gute Eingebungen von Gott her und die Bereitschaft, wie die Hirten mit ihnen entsprechend umzugehen.

Ihr Domkapitular Alois Ehrl

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