Kategorie: Geistliches Wort 2023

  • Geistliches Wort – Juli 2023

    rettenmaier

    Pfarrer Roland Rettenmaier

    Wenn sich das Leben ändert

    Liebe Leserinnen und Leser von Glaube und Heimat,


    in diesem Jahr jährt sich am 8. August zum 77. Mal der Tag, an dem meine Großeltern Maria und Josef Lang mit ihrer älteren Tochter, meiner Mutter Angela und der jüngeren Tochter Maria auf dem Dorfplatz in Deutsch Reichenau auf einen der bereitstehenden Lastwagen gestiegen sind. Für meine Großeltern hat sich damals alles verändert. Sie mussten alles zurücklassen, ihre Verwandten und Nachbarn, die Heimat, Hab und Gut, das Vieh und die frisch eingebrachte Ernte. Es war für sie ein Aufbruch in eine ungewisse Zukunft.

    Alle Heimatvertriebene und Flüchtlinge kamen in einer unbekannten deutschen Gegend an. Sie erlebten, dass Menschen dort einen ganz anderen Dialekt sprechen, als sie. 1946 gab es 18 Transporte aus der CSSR, Ungarn und Bessarabien mit insgesamt 17.304 Personen, die in Sinsheim an der Elsenz ankamen. Einer dieser Transporte brachte die Familie meiner Großeltern nach Sinsheim. Die Vertriebenen wurden auf die 52 Gemeinden im Landkreis Sinsheim verteilt, meine Großeltern kamen nach Landshausen. Sie durften dort sogar in einer eigenen Wohnung leben, das war nicht selbstverständlich. Meiner Urgroßmutter Franziska Lang ging es nach der Vertreibung schlechter, sie wurde in einem anderen Ort zusammen mit 4 anderen Familien in einem einzigen großen Raum untergebracht. Meine Großeltern haben sich wie alle anderen Vertriebenen mit der neuen Situation arrangiert und sich nicht unterkriegen lassen: sie haben jede Arbeit angenommen, die sich anbot und mit Gottvertrauen Tag für Tag hart gearbeitet. Und sie haben die eigenen Talente genutzt. Meine Oma Maria war geschickt im Nähen, sie besaß eine Nähmaschine. Sie hat auch durch ihre Näharbeiten zum Unterhalt der Familie beigetragen. Meine Großeltern haben ihr ganzes Leben lang sparsam gelebt.
    Bad Rappenau wurde der Ort ihrer zweiten Heimat. Am 2. Juni 1952 sind sie nach Bad Rappenau umgezogen. Am 1.August 1956 konnten sie dann endlich in das eigene Haus in Bad Rappenau einziehen. Dort haben sie bis an ihr Lebensende gelebt und sich gut integriert. Die Heimattreffen der Deutsch Reichenauer in Mosbach und Sankt Oswald und die Wallfahrt zum Gnadenbild „Maria Trost zu Brünnl“ in Sinsheim an der Elsenz haben ihnen dabei geholfen, mit den Menschen aus der alten Heimat in Verbindung zu bleiben.


    Wir leben auch in Zeiten von Veränderungen.
    Es gibt zurzeit verschiedene Herausforderungen, denen wir uns alle stellen müssen. Wie der Krieg in der Ukraine ausgehen wird, steht noch nicht fest. Ich denke dabei an Herausforderungen wie Klimaveränderung, Artensterben, Migration und Zuwanderung, Inflation, bezahlbare Wohnungen, Fachkräftemangel und Pflegenotstand und andere Herausforderungen. Ich denke auch an Veränderungsprozesse in der Kirche: Aufarbeitung der Missbrauchsskandale, Umgang mit Macht, die Frage, wie können Frauen an wichtigen Entscheidungen in der Kirche beteiligt werden. Eine andere Frage wird uns alle in den nächsten Jahren beschäftigen. Wie werden wir den Glauben leben, wenn in naher Zukunft in allen Diözesen Großraumpfarreien entstehen werden.
    Für alle diese Herausforderungen müssen so bald wie möglich tragfähige Lösungswege gefunden werden. Wie gut die nächsten Generationen leben können, wird davon abhängen, welche Lösungs-wege wir für die Herausforderungen unserer Zeit finden werden. Ich bin gespannt darauf, wie wir in Deutschland und Europa mit den Veränderungen unserer Zeit umgehen werden. Ich hoffe, dass sich möglichst viele Menschen guten Willens mit guten Ideen, Geduld und Fleiß an der Suche nach tragfähigen Lösungswegen beteiligen werden. Und ich hoffe, dass dann möglichst viele Menschen bereit sind, diese Wege mit Gottvertrauen zu gehen.

    Ich wünsche Ihnen allen Gottes reichen Segen.

    Ihr Kooperator
    Roland Rettenmaier

  • Geistliches Wort – Juni 2023

    prokschi

    Dekan Michael Prokschi

    Wo wir uns der Sonne freuen, sind wir jede Sorge los!

    Johann Wolfgang von Goethe

    Die Hälfte des Jahres 2023 ist schon wieder vorüber, der Monat Juni bringt uns die längsten Tage des Jahres, will uns einstimmen in den Sommer mit all seinen Annehmlichkeiten. Wir genießen es, bei schönem Wetter draußen zu sein, die Natur zu genießen. Die Fülle der Farben und Formen, der Düfte und Geräusche in der Natur wahrzunehmen. Und sich auch immer wieder selbst als Teil der Schöpfung, als Teil des Großen und Ganzen zu empfinden. So ist es schön, an einem warmen Sommerabend im Garten zu sitzen und dem Gesang der Vögel zu lauschen, den Duft der Rosen wahrzunehmen. Oder auch barfuß an einem Bach entlang zu laufen. Das Wasser und den Sand zwischen den Zehen zu spüren. Mit Freunden ein Glas Wein zu trinken oder auch gemütlich ein gutes Buch zu lesen in einer stillen Ecke des Gartens.

    Ganz unterschiedlich können solche kleinen Oasen im Alltag sein. Zeiten, um zur Ruhe zu kommen, zu sich selbst zu finden.

    Was ist Ihre kleine Oase????

    Dekan Michael Prokschi
    Leiter der Pfarreiengemeinschaft Herz Jesu Kirchzell
    Kurator im Pastoralen Raum Amorbach
    Dekan des Dekanates Miltenberg
  • Geistliches Wort – Mai 2023

    Pfarrer Hermann Differenz

    „Maria, Hilfe der Christen“

    Zuerst darf ich mich kurz vorstellen. Ich bin Pfarrer Hermann Differenz, seit 2018 tätig als Pfarrvikar in der Pfarrgruppe Hanau Steinheim und Klein Auheim.

    Mein Vater Willi stammte aus Deutsch-Reichenau bei Gratzen (Lenzn war der Hausname). Mit ihm und meiner Mutter bin ich am 25.07.1980 zum ersten Mal in den Böhmerwald gefahren und auf dem Weg nach Reichenau trafen wir einen deutschstämmigen Tschechen, der in Deutsch-Beneschau lebte. Er bat uns doch seine alte Mutter dort zu besuchen. Sie hat sich sehr darüber gefreut, besonders als sie feststellte, dass Ihre Großmutter eine Frau Hammer im Reichenauer „Beim Tonai“ (dem Nachbarhaus meines Vaters) einst geboren worden war. Als ich im Jahr 1990 dann nach dem Fall des eisernen Vorhangs zu zweiten Mal im Böhmerwald war und wir in Beneschau eine Hl. Messe gefeiert haben, fragte ich ihren Sohn der Küster Franz Opelka, wie es denn der Mutter geht. Seine Antwort war: „Do brauchst`gor net higaih, die schaut nur noch an die Decken.“

    Wir gingen dennoch hin und ich habe sie angesprochen, doch es kam keine Reaktion, auch beim Vater unser hat sie nicht reagiert, auch nicht beim Segen, immer blieb ihr starrer Blick und sie kauerte auf der Seite liegend in ihrem Bett. Doch als ich dann das alte Marienlied: „Meerstern ich dich grüße, o Maria hilf!“ anstimmte, da schob sie unter der Bettdecke die Hände, zum Gebet gefaltet hervor und ihre Schwiegertochter Margeta, sagte leise auf slowakisch zu ihrem Mann: „Das hat sie verstanden!“

    Unvergesslich ist mir diese Begegnung und die Erfahrung, die ich immer wieder machen konnte, wie tief ein Lied in die Herzen geht.
    Wie oft hat man in alter Zeit dieses Lied gesungen und so verknüpft sich mit der Melodie eben auch die Erinnerung an die Wallfahrten, an die Maiandachten und an manche persönliche Not, aus der man innig diesen Ruf gesungen oder gebetet hat: „O, Maria hilf!“

    Am 24. Mai ist das wenig bekannte Fest: „Maria, Hilfe der Christen“.

    Es erinnert an die Erfahrung des Papstes Pius VII, den der Kaiser Napoleon, schon genau wie seinen Vorgänger den Papst Pius VI. einsperren ließ. Der Vorgänger war in dieser Haft gestorben.

    Am 17. Mai 1809 traf dann auch den nächsten Papst das Schicksal der Gefangenschaft. Der Papst sprach in seiner Not den Bann über Napoleon aus, doch der Kaiser sagte spöttisch:“ Der Papst irrt sich, wenn er meint sein Bannstrahl risse meinen Soldaten das Gewehr aus der Hand.“ Der Papst war in strenger Einzelhaft bei Schmalkost, die Bücher wurden ihm weggenommen und man nannte ihn damals spöttisch: Pius den Letzten. Dem Papst blieb das Gebet und das tiefe Vertrauen, mit dem er sich unter den Schutz der Muttergottes stellte. Nach drei Jahren wurde er von Savona auf ein Schloß in der Nähe von Paris gebracht. Doch der Russlandfeldzug scheiterte und der Kaiser selbst kam dann 1814 und 1815 zweimal in Haft.

    Zwei Millionen Franken hatte Napoleon dem Papst zum Verzicht auf den Kirchenstaat geboten, nun wurden ihm zwei Millionen Franken geboten, um auf die Kaiserwürde zu verzichten. Fast sieben Jahre lebte der alte Papst in der Verbannung, fast sieben Jahre war nun auch dann Napoleon in der Verbannung bis zu seinem späteren Tod, doch am 24. Mai 1815 konnte der alte Papst wieder nach Rom zurückkehren und zum Dank führte er an diesem Tag das Fest „Maria, Hilfe der Christen“ ein.

    So wollen wir auch uns in den Nöten dieser Zeit unter den Schutzmantel der Muttergottes stellen. Im Blick auf die Kriege und ihre Folgen, im Blick auf unsere Kirche in Europa, auf der Suche nach dem richtigen Weg der Erneuerung und in unseren ganz persönlichen Nöten und Fragen. Rufen und Singen wir allein oder miteinander und füreinander:

    „O, Maria hilf! Maria hilf uns allen,
    aus unsrer tiefen Not!“
    Ihr
    Hermann Differenz (Pfarrvikar)