Ich lag im Krankenhaus und hatte genügend Zeit, an meine Kindheit zu denken. Dabei kamen mir folgende Gedanken: Was hatten wir Glück …
- dass wir auf dem Bauernhof helfen durften und dafür Milchsuppe oder ein Butterbrot bekamen,
- dass wir liegen gebliebene Ähren auf den Feldern fanden und Mutter von dem Mehl Kuchen backte,
- dass wir am Wegesrand Äpfel auflasen und es dann süßen Apfel-pfannkuchen gab,
- dass wir vergessene Kartoffeln suchten und Mutter eine Pfanne Bratkartoffeln briet,
- dass die jungen Brennnesseln wie leckerer Spinat schmeckten,
- dass Mutter aus Wollresten die schönsten bunten Pullover strickte und u. a. aus Übergardinen Kleider nähte,
- dass wir unseren Durst durch kühles Wasser aus dem Wasserhahn stillen konnten,
- dass wir dadurch gelernt haben: Es gibt kein Butterbrot umsonst,
- dass wir keine Ahnung hatten von Fast Food, Cola- und Limo-Getränken, Marken-Klamotten, Rauschgift, Graffiti und dergleichen, vor allem nie den Begriff „Infantilisierung der Armut“ gehört haben.
Mein Gott – was hatten wir Glück!
Rosemarie Vogel
Ausgabe: 08-1999