Deutsche Schwestern (Vinzentinerinnen) in Kájov/Maria Gojau im Böhmerwald
Drei Jahre lang hatte ich nichts von der Existenz dieser Schwestern gewusst. Dann dauerte es wiederum einige Monate, bis ich ihren Wirkungsort herausfand. Nun endlich konnte ich sie aufsuchen und einen ganzen Tag, umrahmt von zwei Nächten, in ihrer Gesellschaft verbringen.
Sie leben zu Viert – „Beinahe-Rentnerinnen“ – in dem ehemaligen Pfarrhof der Wallfahrtskirche Maria Gojau. Der Bischof von Budweis/Budìjovice hatte ihnen diesen Platz angeboten, in einer fast atheistischen Umwelt. Der erste Eindruck muss nicht sehr ermutigend gewesen sein: Die Gebäude verkommen, ein halber Meter Unrat und Abfall im Keller, dazu das kalte, unfreundliche Februar-Wetter! Die Schwestern hatten Mut: Sie nahmen das Angebot an, unter sehr persönlichen Einschränkungen und Unannehmlichkeiten. Das Erste war die winterliche Kälte: es war eine ziemliche Umstellung, kamen doch alle als Krankenschwestern aus den wohltemperierten Spitälern. Das Zweite: Über ein Jahr hatten sie zum Schlafen nur einen Raum. Auf meine Frage nach dem Schnarchen wurde nur gelacht: „Das ist Familien-Geheimnis!“ Inzwischen hat sich seit ihrem Einzug am 29.07.1999 Einiges/Vieles geändert: Ein Flügel des Pfarrhofs ist mit Mitteln der Kongregation der Barmherzigen Schwestern (Vinzentinerinnen) und des deutsch-tschechischen Zukunftsfonds liebevoll restauriert. Die winterliche Kälte in den Gängen ist geblieben; auch die Temperatur in der sog. Entschlafungskapelle (Tod Marias), in der man frühmorgens über eine Stunde mit Meditation und Chorgebet zubringt. „Die Heizkosten sind hoch“, wurde mir erklärt. Aber sogar Mücken ziehen diese Innentemperatur der von draußen vor!
Man hatte gedacht, die Schwestern würden sich von all den Schwierigkeiten abschrecken lassen: „Die bleiben nicht, die kommen zurück!“ Aber sie blieben und wurden das, was Ordensschwestern – bei allem sozialen Einsatz – sein wollen: Hüterinnen des Heiligtums! Arbeit gibt es in diesem großen Haus genug; es gab noch nicht viel Zeit, die Umgebung zu erkunden. Einmal im Monat treffen sich die Priester des Dekanats zu einer Konferenz bei den Schwestern und werden mit großer Freude von ihnen bewirtet, was alle sichtlich genießen, denn nur einer der ca. 16 Priester hat eine Haushälterin. Mit den Kindern und Erwachsenen wurde ein Weihnachtsspiel eingeübt (in Tschechisch natürlich). „Letztes Jahr hatten wir einen schwangeren Engel“, wurde mir, Erstaunten, erzählt. Tatsächlich, bald darauf gab es die Taufe der kleinen Terezka.
Zur Hl. Messe fährt man täglich nach Krummau/Èeský Krumlov. Auf dem Rückweg werden alte Damen nach Hause gebracht, während die Hälfte der Schwestern ein Stück zu Fuß vorausläuft. Nur alle 14 Tage ist am Sonntag eine Hl. Messe in der Wallfahrtskirche. Es finden jährlich inzwischen sieben große Wallfahrten statt. Bei der Herbst-Wallfahrt werden Übernachtungsgäste betreut. Besondere Freude machen die tschechisch-deutschen Wallfahrten. Letztes Jahr war sogar der derzeitige Nuntius in Tschechien, Erzbischof E.J. Enders, mit von der Partie. Angestellt sind die Schwestern nirgends, weder bei der Kirche noch bei der tschechischen Caritas. „Das garantiert uns die Freiheit, die wir brauchen!“ erklärt die Oberin. „Wir können tun, was wir für richtig halten. Unterstützt werden wir von unserer Kongregation und von vielen Freunden in Deutschland. Auch die Restaurierung der vorhandenen Möbel wurde von dort übernommen; was fehlt, dazugekauft. Aber wenn wir gehen, nehmen wir nichts mit. Wir lassen alles als Geschenk hier.“ So wird in keiner Weise ein Besitzstand aufgebaut. Und wenn, dann zu Gunsten dieses Landes.
„Wir wurden zuerst mit Zurückhaltung betrachtet“, erzählt eine Schwester. „Deutsch und (kath.) Kirche – das ist eine vorbelastete Kombination!“ Inzwischen ist auch da der harte Boden gelockert; das Misstrauen ist gewichen, langsam werden es „unsere Schwestern“. Die Saat der Versöhnung geht langsam auf verbrannter Erde auf – eines unter den, Gott sei Dank, vielen kleinen Wundern in diesem Land.
Auf vier Jahre war dieser Einsatz erstmal begrenzt. Nun hofft man aber auf eine Verlängerung, denn trotz Nachwuchsmangel in den eigenen Reihen setzt sich immer mehr die Erkenntnis bei den Mitschwestern durch, dass diese Missionsstation in Tschechien sinnvoll und segensreich ist.
Und die Sprache? Ebenfalls ein Problem, denn bekanntlich geht das Erlernen bei vorgerücktem Alter immer schwerer. Aber man hält sich tapfer. Lange Gebete werden bereits auswendig rezitiert, auch der Rosenkranz erklingt in tschechischer Sprache. „Wir denken, dass Gott hier mehr auf das Tschechische hört“, erklärt die Oberin verschmitzt. Aber gerade hier ist ein Punkt, wo tschechische Hilfe willkommen wäre: Eine tschechische Schwester im „Kloster auf Zeit!“ Wo gibt es sie?
Anschrift: Milosrdné sestry, Farní úøad, 38221 Kájov

Es gibt noch mehr deutschsprachige Schwestern in Tschechien. Hier nur ein Überblick:
-    Weitere fünf Schwestern von dem deutschen Säkular-Institut St. Bonifatius in Stráž nad Nisou/Alt Habendorf.
-    Eine Schweizer Baldegger Schwester in Hradec Králové/Königgrätz.
-    Eine Paderborner Klarissin als Oberin im Klarissen-Kloster von Brno-Sobìšice/Brünn-Sobeschitz.
-    Eine Josefschwester in Plzeò/Pilsen (mit zwei indischen Mitschwestern).
-    Eine Kleine Schwester von Jesus in Prag.
-    Eine Servitin in Èeské Budìjovice/Budweis und Englische Fräulein „im Riesengebirge“.

Prager Volkszeitung, 07.02.03, S. 7,
Schwester Edith Breindl, Duderstadt, Tel.: 05527791450
Ausgabe 04-2003

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